Proteinbedarf im Fokus: Was wirklich dran ist an den Eiweiß-Versprechen der Fitness-Industrie
Ich habe mich viele Jahre überwiegend pflanzlich ernährt – mit Tofu, Linsen, Erbsenprotein, Nüssen und vielem mehr. Doch seit ein paar Monaten spüre ich ein echtes Bedürfnis nach Eiweiß – vor allem aus tierischen Quellen. Das kam nicht plötzlich, aber deutlich. Mein Körper signalisiert mir: Ich brauche mehr Substanz. Mehr Kraft. Mehr Versorgung. Es geht mir dabei nicht ums Prinzip, sondern ums Gefühl – um Stabilität, um den Wunsch, meine Muskulatur zu erhalten und mich im eigenen Körper wieder stärker zu fühlen.
Ganz leicht fällt mir das nicht. Nach so langer pflanzlicher Ernährung wieder regelmäßig zu Bio-Eiern, Hüttenkäse oder griechischem Joghurt zu greifen, ist eine Umstellung. Aber es fühlt sich – gerade jetzt – richtig an. Und ich merke: Es tut mir gut. Gleichzeitig bleiben meine pflanzlichen Eiweißquellen ein fester Bestandteil – diese neue Kombination fühlt sich stimmig an.
Umso spannender war die diesjährige Protein Masterclass beim SMHS 2025, dem Sports, Medicine & Health Summit, einem interdisziplinären Fachkongress für Mediziner:innen, Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen aus Sport, Bewegung und Gesundheit. Ziel des SMHS ist es, Theorie und Praxis zu verbinden und damit Bewegung und einen aktiveren Lebensstil in der Gesellschaft zu fördern.
In dieser Gesprächsrunde sprachen drei Fachleute fundiert, differenziert und mit Blick auf die Praxis über Proteinbedarf, Quellen, Mythen und wissenschaftliche Erkenntnisse:
Dr. Malte Puchert, Zell- und Molekularbiologe, Anatom, Immunologe, Dozent, Biologie- und Chemielehrer sowie medizinischer Fitnesstrainer
Michi Kleis, Ex-Influencer, Personal Trainer und Mitgründer der Ernährungsplattform Einfach Ernährung
Tim Hänisch, Sportwissenschaftler (M.A.), Reha- und Fitnesstrainer mit Schwerpunkt Sporternährung und Bewegungstherapie
Wie viel Protein brauchen wir wirklich?
Die wohl meistgestellte Frage: Wie viel Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht sind eigentlich sinnvoll?
In den sozialen Medien ist oft von 2 g oder mehr die Rede – gerne auch mit erhobenem Zeigefinger: Wer das nicht schafft, baut keine Muskeln auf. Die Expert:innen in der Masterclass sehen das differenzierter:
Die meisten Studien zum Proteinbedarf stammen aus Untersuchungen mit jungen, gut trainierten Männern.
Für die breite Bevölkerung – insbesondere für nicht durchtrainierte Freizeitsportler:innen – ist eine Zufuhr von 👉 1,6–2,0 g pro kg Wunschgewicht absolut ausreichend.
Wer übergewichtig ist, sollte nicht das tatsächliche Körpergewicht als Grundlage nehmen, sondern das Ziel- oder Normalgewicht.
In der Praxis machen viele Menschen keinen messbaren Unterschied zwischen 1,5 g oder 2,2 g – gerade in den ersten Trainingsjahren.
Einigen Studien zufolge (u. a. Morton et al. 2018, Refalo et al. 2025) ist oberhalb von 1,6 g/kg kein klarer Zusatznutzen mehr nachweisbar – zumindest nicht für den durchschnittlichen Freizeitsportler im Erhaltungsmodus.
Auch wenn andere Metaanalysen (z. B. PMID: 33300582) höhere Mengen bis über 3 g/kg diskutieren, beruhen diese Annahmen auf wenigen Daten und teilweise unkontrollierten Studien. Sie gelten nicht als praxisrelevante Empfehlung für gesunde Durchschnittssportler:innen.
Die Eiweißquelle: Tierisch vs. pflanzlich
Wer sich vielseitig ernährt, ist hier auf der sicheren Seite. Entscheidend wird die Qualität vor allem dann, wenn weniger als 1,5 g/kg konsumiert werden. Ein Überblick:
Tierische Proteine (Fleisch, Fisch, Eier, Molke) sind in der Regel vollständig verwertbar und enthalten alle essentiellen Aminosäuren.
Pflanzliche Proteine können ebenso wirksam sein – aber:
sie enthalten nicht immer alle essentiellen Aminosäuren in ausreichender Menge.
sie müssen oft kombiniert werden, z. B. Hülsenfrüchte + Getreide. Diese Kombination verbessert die biologische Wertigkeit deutlich, da sich die Aminosäureprofile optimal ergänzen. Das klassische Beispiel: Linsen mit Reis. Diese Art der Kombination ist in vielen traditionellen Küchen verbreitet – z. B. Bohnen mit Mais (Lateinamerika), Hummus mit Pita (Naher Osten) oder Reis mit Tofu (Asien). So entsteht ein vollständigeres Aminosäurenprofil – ganz ohne tierische Produkte.
Wer sich vegan ernährt, sollte darauf achten, nicht einseitig zu essen – und idealerweise auch mit Proteinpulvern aus kombinierten Quellen ergänzen.
Kollagen und Gluten (z. B. Seitan) sind keine vollwertigen Eiweißquellen. Sie können Teil der Ernährung sein – aber nicht als Hauptquelle dienen.
Fertigprodukte mit Kollagenpeptiden liefern oft nur „Junk-Protein“ ohne vollständiges Aminosäurenprofil.
Fazit: Wer über 1,5 g Protein pro kg zu sich nimmt – egal ob omnivor oder pflanzenbasiert – muss sich keine großen Gedanken um die Qualität machen, solange die Ernährung nicht extrem einseitig ist.
Persönliche Empfehlung
Ich selbst verwende aktuell zwei Eiweißpulver, die ich euch wirklich ans Herz legen kann:
👉 Das vegane Protein mit funktionellen Pilzen (Reishi, Chaga, Ashwagandha) – kombiniert aus Hanf-, Kürbiskern- und Erbsenprotein
Beide stammen von der kleinen, liebevoll geführten Firma Lykaia Nutrition. Ich finde nicht nur die Qualität super, sondern unterstütze auch gerne kleinere Labels, die ehrlich und nachhaltig arbeiten.
Ich nehme beide Pulver regelmäßig – sie sind nicht nur gut verträglich, sondern schmecken auch angenehm neutral.
Falls du mehr über diese Produkte wissen willst, schau in meinen Blogbeitrag über das vegane Protein mit Pilzen oder über das Ziegenprotein von Lykaia. Dort findest du alle Infos zur Wirkung, Verträglichkeit und Anwendung.
Protein-Timing: Muss Eiweiß über viele Mahlzeiten verteilt werden?
Ein Mythos hält sich hartnäckig: Der Körper könne nur etwa 30 g Protein pro Mahlzeit aufnehmen – alles darüber würde „verpuffen“. Die Datenlage zeigt: Das stimmt so nicht.
Die Proteinsynthese wird mit ca. 30–50 g zwar stimuliert – aber:
Große Proteinmengen werden einfach über längere Zeiträume verdaut und genutzt.
Eine Studie (Trommelen et al., 2023) zeigte, dass 100 g Protein in einer einzigen Mahlzeit über viele Stunden verarbeitet wurden – ohne nennenswerte Verluste.
Auch Menschen im Intervallfasten oder mit nur 2–3 Mahlzeiten täglich erreichen vergleichbare Ergebnisse bei Muskelaufbau und Körperkomposition.
Wichtig:
👉 Die Gesamtzufuhr pro Tag zählt mehr als Timing und Mikromanagement.
👉 Wer seine Eiweißzufuhr über 2–3 Mahlzeiten deckt, ist absolut im grünen Bereich.
Ist zu viel Eiweiß schädlich?
Ein weiteres Dauerthema ist die vermeintliche Gefahr für die Nieren. Die Expert:innen machen deutlich:
Es gibt keinen Nachweis, dass eine hohe Eiweißzufuhr gesunden Menschen schadet.
Selbst 4 g/kg Körpergewicht über Monate zeigten in Studien keine negativen Auswirkungen auf Nierenfunktion oder Blutwerte.
Die Angst vor „Übersäuerung“, „Nierenschäden“ oder „Knochenabbau“ durch Eiweiß ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Die Kritik an hoher Proteinzufuhr ergibt sich meist aus Beobachtungsstudien, bei denen verarbeitete Fleischprodukte dominieren – nicht aus randomisierten Interventionsstudien mit Sportlern oder gesunden Menschen.
Proteinbedarf im Alter: Was ist zu beachten?
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Eiweißverwertung im Körper – die sogenannte anabole Resistenz steigt. Das heißt:
👉 Der Körper braucht mehr Reiz und mehr Protein, um Muskulatur zu erhalten.
1,2–1,5 g/kg Körpergewicht gelten für ältere Menschen als sinnvoll – teilweise sogar darüber.
Studien zeigen, dass ältere Menschen mit höherer Eiweißzufuhr seltener stürzen, sich schneller erholen und länger selbstständig bleiben.
Gerade im Alter sollte man daher nicht Eiweiß reduzieren, sondern bewusst einbauen.
Fazit: Was zählt wirklich beim Thema Protein?
Die Expert:innen sind sich einig:
✅ Training ist der Schlüssel. Eiweiß ist das Baumaterial – aber ohne Reiz keine Wirkung.
✅ Mikromanagement bringt wenig, solange die Tageszufuhr ungefähr passt.
✅ Die meisten Menschen profitieren bereits ab 1,2–1,6 g/kg, ohne Kalorienüberschuss oder extremen Fokus.
Ein schönes Zitat aus der Runde:
„Wer nicht alles perfekt machen will, kann trotzdem sehr gute Ergebnisse erzielen – einfach durch regelmäßiges Training und ausreichend Eiweiß aus guten Quellen.“
Alltagstipps aus der Masterclass
Eine einfache Faustregel, wenn du deinen Eiweißbedarf steigern willst:
Schau, wo in deinen Mahlzeiten schon Eiweiß enthalten ist.
Erhöhe die vorhandene Quelle – oder ergänze sie sinnvoll (z. B. Hüttenkäse, Tofu, Ei, Shake).
Du musst nichts tracken – aber bewusst hinsehen hilft.
Ich selbst bin keine Leistungssportlerin – aber ich will beweglich, kraftvoll und stabil bleiben. Mein Körper verändert sich, und ich merke: Protein ist kein Trend. Es ist ein Werkzeug. Ich baue es wieder bewusst in mein Leben ein – nicht aus Prinzip, sondern weil es mir guttut. Wenn du dich fragst, wie du deinen Eiweißbedarf decken kannst – ohne Druck, ohne Diätlogik, einfach in deinem Alltag – dann bleib dran. Ich arbeite an einem praktischen Guide für Frauen ab 40, mit Rezeptideen, Lebensmittellisten und Empfehlungen für hochwertige, alltagstaugliche Eiweißquellen.
Dein Weg zu mehr Stabilität und Kraft
Du willst beweglich, kraftvoll und stabil bleiben? Ich habe gemerkt, dass Protein dabei ein wichtiges Werkzeug ist – kein Trend. Wenn auch du dich fragst, wie du deinen Eiweißbedarf decken kannst – ganz ohne Druck und Diätlogik – dann bleib dran. Ich arbeite an einem praktischen Guide für Frauen ab 40, mit einfachen Rezeptideen, Lebensmittellisten und Empfehlungen für hochwertige, alltagstaugliche Eiweißquellen.
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